Kölner Initiative Grundeinkommen

Grundeinkommen Extra Light | Der finnische Grundeinkommenstest – ein kleiner Schritt, nicht mehr, nicht weniger

Von Harald Schauff*

Seit Januar läuft in Finnland das mit Spannung erwartete Grundeinkommensexperiment. 2000 Empfänger von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe, die per Los ausgewählt wurden, erhalten monatlich ein über die Versuchsphase konstantes Grundeinkommen von 560 Euro. Niedriger als die Arbeitslosenhilfe, etwas höher als die Sozialhilfe.

Um Teilnehmer von unfreiwilligen Einkommenseinbußen zu verschonen, wird Anspruchsberechtigten die Differenz zum Arbeitslosengeld ausgezahlt (Informationen: Neues Deutschland v. 28.12.16). Andere Zuzahlungen wie etwa zur Miete oder für Kindergartenplätze werden nicht gestrichen. Das Grundeinkommen wird nicht besteuert (bei dem üppigen Betrag?!) und ist an keine Bedingungen geknüpft. Tritt der Empfänger einen Job an, wird es nicht mit dem Arbeitslohn verrechnet. Einzig die Zuzahlungen fallen weg. So bringt selbst ein geringer Lohn eine Einkommensverbesserung.

Der Test soll zu erkennen geben, wie sich die Anreize zur Arbeit erhöhen lassen. Macht der Bürger es sich bequem oder sucht er nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten? Allerdings ist mit dem geringen staatlich garantierten Einkommen kein bequemes Leben möglich, zumal es unter der monatlichen Arbeitslosenunterstützung liegt. Diese beträgt 703 Euro, kann durch Kinder- und Mietzuschläge erhöht werden, ist auf 500 Tage begrenzt und wird nur an jene gezahlt, die aktiv auf Arbeitssuche sind. Wer keine findet, fällt danach in die Sozialhilfe, die noch niedriger ist.

Zu berücksichtigen gilt dabei, dass die Lebenshaltungskosten in Finnland rund 20 % über denen in Deutschland liegen. Erst mit einem Monatseinkommen von 3.500 Euro brutto kann ein Arbeitnehmer seinen Lebensunterhalt vernünftig bestreiten. Der Test soll auch darüber Aufschluss geben, inwieweit sich Verwaltungskosten einsparen lassen. Finnland hat ökonomische Probleme, das Wachstum ist schwach, die Arbeitslosenquote hoch.

In dieser Form ist der finnische Grundeinkommenstest nicht der von Grundeinkommensbefürwortern erhoffte große Sprung, sondern allenfalls ein kleiner Schritt voran. Offensichtlich haben sich die Verantwortlichen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, der kaum nennenswert ist. 560 Euro liegen fernab dessen, was als existenzsichernd betrachtet werden kann.

Die Finanzierung des Experiments soll über einen Extraposten in den Etats von 2017 und 2018 erfolgen. Wohl weniger wegen der Höhe des Postens, sondern aufgrund rechtlicher und haushaltstechnischer Erfordernisse der Zweckgebundenheit. Großartige Mehrausgaben sollten anscheinende vermieden werden. Deshalb wurden Erwerbslose ausgewählt, die ohnehin Anspruch auf Unterstützung hatten.

Gemessen an den im Vorfeld diskutierten Modellen fällt der jetzt begonnene Praxistest hinsichtlich der Höhe des Betrages und der Anzahl der Teilnehmer recht bescheiden aus. So wie es ausschaut, hat sich das Konzept des „partiellen Grundlohnes“ weitgehend durchgesetzt. Bei diesem Modell sollte das Grundeinkommen mit anderen Leistungen kombiniert werden und nur bei Aufnahme einer Erwerbsarbeit ausgezahlt werden. Wenigstens von letzterem ist man bei der jetzigen Variante abgewichen. Insofern kann man von Bedingungslosigkeit sprechen. Unterschwellig bleibt dennoch ein Zwang zur Lohnbeschäftigung bestehen, weil 560 Euro kaum zum Existenzminimum reichen, zumal bei den Lebenshaltungskosten in Finnland.

Wäre es nach den Forschern der finnischen Volksrentenanstalt gegangen, hätte das Experiment einen weitaus größeren und aussagekräftigeren Maßstab erhalten. Zum einen wäre das Grundeinkommen an einen gesamten Ort mit 10.000 Einwohnern gezahlt worden. Zum anderen hätte man aus den 5,5 Mill. Einwohnern weitere 10.000 Personen zufällig ausgewählt und mit der Kontrollgruppe verglichen worden. Neben dem „partiellen Grundlohn“ wäre auch ein „voller Grundlohn“ in existenzsichernder Höhe von deutlich über 800 Euro getestet worden.

Die ursprünglich vorgesehenen 20.000 sind auf magere 2000 Testpersonen geschrumpft. Vom deutlich über 800 Euro liegenden Monatsbetrag blieben die erwähnten 560 Euro, die auf finnisches Preisniveau übertragen ungefähr die Kaufkraft von 450 Euro in Deutschland haben. Besser als nichts, meinen Presseberichte. Sagen wir, etwas besser.

Das Beste daran ist weniger der Test selbst als vielmehr die Tatsache, dass das Grundeinkommen dadurch wieder ein Stückchen mehr öffentliche Aufmerksamkeit erfährt. Interessant auch zu beobachten, wie wirtschaftlicher Druck Schritt für Schritt ein Umdenken in diese Richtung befördert.



Harald Schauff ist verantwortlicher Redakteur der Kölner Arbeits-Obdachlosen Selbsthilfe-Mitmachzeitung »Querkopf«, die für 1,50 Euro auf der Straße verkauft wird. Diesen Artikel hat er in der aktuellen Ausgabe des »Querkopf« veröffentlicht.

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