Kölner Initiative Grundeinkommen

Piratenpartei und Grundeinkommen – vom Kurs abgekommen?

Aktuell findet im Netz wiedereinmal eine rege Debatte über die Beschlüsse der Piratenpartei zum Grundeinkommen auf ihrem letzten Parteitag in Neumarkt statt. Dabei reiben sich manche an dem Begriff  »Sockeleinkommen« und an einem Statement von Parteichef Schlömer zur Höhe und Ausgestaltung dieses Vorschlages[1].

Es wäre mit Sicherheit hilfreich in der Diskussion um das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) und die Piratenpartei, wenn man sich in Gedächtnis rufen würde, dass die Piratenpartei bereits seit 2010 zwei Passagen zum BGE sowohl in ihr Grundsatzprogramm als auch in ihr aktuelles Wahlprogramm aufgenommen hat.

Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland:
»Die Piratenpartei setzt sich daher für Lösungen ein, die eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren und dabei auch wirtschaftliche Freiheit erhalten und ermöglichen.«

Beschlüsse für das Bundestagswahlprogramm 2013:
»Wir Piraten setzen uns für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein, das die Ziele des "Rechts auf sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe" aus unserem Parteiprogramm erfüllt. Es soll: die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.«

Unter den Punkten »Vorbereitung des bedingungslosen Grundeinkommens« und »Sockeleinkommen« sind Vorschläge für den Wahlkampf 2013 (»Bedingungsloses Grundeinkommen und Schritte dorthin«) zu finden, die skizzieren, wie man unter Berücksichtigung des existierenden Steuer- und Sozialsystems ein BGE in Deutschland einführen könnte: z.B. für verschiedene Gruppen (»Wellenmethode« bzw. vertikales Verfahren), aber auch schrittweise für alle Bürger (»Häppchenmethode« bzw. »horizontales Verfahren«). Sowohl Gruppenspezifische als auch partielle BGE-Modelle sind weiß Gott nicht neu in der Debatte um das BGE und sollten eher mit den Lösungsvorschlägen anderer Parteien verglichen werden, die seit Jahre ähnliche Wege zum BGE entwickeln (Die Grünen mit Kindergrundsicherung und Garantierente; das »Solidarische Bürgergeld« in der CDU).

Die Einführungsmethode »Sockeleinkommen« an den Idealen und Ansprüchen des Netzwerk Grundeinkommen – oder der Initiative »Freiheit statt Vollbeschäftigung« – zu messen, halte ich in dieser Form nicht für zielführend.

Wenn mir irgendjemand 2009 erzählt hätte, dass ich bald eine Partei wählen kann, die mit konkreten Forderungen nach einem BGE bei Landtagswahlen antritt, darauf in Parlamente gewählt wird und zu guter Letzt mit Vorstellungen zur Umsetzung eines BGE in den Bundestag einziehen will, dann hätte ich dies – als Befürworter eine Utopie! – mit Sicherheit als Spinnerei abgetan …

Meiner Meinung nach hat die Piratenpartei ihr Möglichstes getan, um das BGE in der deutschen Parteienlandschaft zu verankern und um gleichzeitig den Weg für eine parlamentarische Debatte durch die Forderung nach Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema Grundeinkommen frei zumachen. Darüber hinaus wurden im aktuellen Wahlprogramm auch konkrete Instrumente der direkten Demokratie beschlossen (»Bürgerbeteiligung«), wie sie in Deutlichkeit und Umfang in keinem Parteiprogramm der anderen (im Parlament vertretenen) Parteien existieren! Eine Volksabstimmung über das Grundeinkommen wie in der Schweiz würde mit der Umsetzung dieser Forderungen ebenfalls ermöglicht werden.

Jetzt liegt es in unserer Hand die demokratischen Möglichkeiten zu nutzen, um der Idee des BGE zum gesellschaftlichen Durchbruch zu verhelfen (zunächst als Wähler, später hoffentlich auch als »Stimmbürger«)!

Henrik Wittenberg
Vorstand und Öffentlichkeitsarbeit
Kölner Initiative Grundeinkommen e. V.

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[1]
» … bis 400 Euro Grundeinkommen, aber das auch noch an Bedürftigkei.... Daran anschließend noch ein Off-Kommentar, dass sich die Piratenpartei damit von ihren früheren Forderungen von 1.000 Euro Grundeinkommen verabschiedet hätte – allerdings gab es diese Forderung niemals (was man wissen kann, wenn man die bisherigen Beschlüsse zum Grundeinkommen in der Piratenpartei gelesen hat).

In einer Gesprächsrunde am 15. April hatte Herr Schlömer noch eine etwas andere Aussage als in der Tagesschau getätigt (ab 1:02:54): Dort ging es um ein Sockeleinkommen in Höhe von 400 – 450 Euro, wobei das Sockeleinkommen dabei zusätzlich zu den bestehenden Sozialleistungen ausgezahlt werden soll (die sozialen Sicherungssysteme bleiben also in dieser Variante vorerst alle erhalten!).

Mit dem »Sockeleinkommen« stünde also jedem Einwohner ein Grundeinkommen ohne Bedingungen und Bedürftigkeitsnachweise zur Verfügung, das in seiner Höhe allerdings nicht zur Sicherung der Existenz (und gesellschaftlichen Teilhabe) ausreicht. Wer darüber hinaus z.B. Wohngeld (Kosten der Unterkunft) benötigt, der müsste dieses weiterhin beantragen und würde es erst nach einer Bedürftigkeitsprüfung erhalten. Eine steuerfinanzierte GKV käme – ähnlich wie beim Solidarischen Bürgergeld – hinzu und Renten/Pensionen würden, wie heute auch, als versteuerbares Einkommen behandelt.

………

Hintergrund zum Thema:

  • Ralph Boes von der Berliner Grundeinkommens-Initiative hat die Möglichkeit einer schrittweisen Einführung eines BGE in diesem Video gut veranschaulicht.
  • Was ein Grundeinkommen eigentlich ist und woher die vier Kriterien stammen, wird in dieser kurzen Einführung für alle gut erklärt.

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