Kölner Initiative Grundeinkommen

Abkehr vom Wachstumswahn – Ansätze eines ökonomischen Umdenkens

Von Harald Schauff*

Einzig eine Wirtschaft, die wächst, garantiert Fortschritt, Wohlstand und überhaupt eine Verbesserung der Lebensbedingungen der gesamten Menschheit. Das wird immer noch geglaubt, hauptsächlich von Politikern, die sich von passend ausgerichteten konservativen und neoliberalen Ökonomen beraten lassen. Weder sie noch jene stören sich dabei an wachsender Ungleichheit, verheerender Umweltzerstörung und kriegerischen Konflikten.

Doch inzwischen wird die Kritik an der einseitigen wie kurzsichtigen Fixierung auf Wachstum immer lauter. Sie kommt nicht nur vom linken Rand, aus den Mündern »wirtschaftsfeindlicher Randfiguren«, sondern aus gänzlich unerwarteten Ecken: Von Wirtschaftsnobelpreisträgern, Kommissionen des Bundestags, dem franz. Präsidenten und sogar von EU-Kommission und OECD.

In der ersten Septemberwoche fand in Leipzig die Internationale Degrowth-Konferenz statt. 2.500 Teilnehmer diskutierten über eine Wirtschaft, die ohne Wachstum auskommt. Die Frankfurter Rundschau begleitete diese Konferenz mit einer Artikel-Serie. In einem Beitrag vergleicht Felix Rauschmayer, ökologischer Ökonom vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) den »Tanz ums goldene Kalb Wirtschaftswachstum« mit einer Suchtkrankheit. Alle wüssten, dass eine ressourcen-basierte, schadstoffausstoßende Wirtschaft im begrenzten Naturraum Erde nicht möglich sei. Keiner denke jedoch daran, wie eine von der Droge Wirtschaftswachstum unabhängige Wirtschaft aussehen könnte. Die Gesellschaft begreife nicht, wie sie sich durch diese Droge selbst schädige. Man verdränge die Verbindungen des Wirtschaftswachstums zu Kriegen und Umweltzerstörung. Auch die Selbstschädigung der Menschen nehme zu. Siehe Burn-Out, Existenzängste, Depressionen u.ä.

Wie kann der Wachstumspfad, der um so mehr ein Irrweg ist, als man die schädlichen Folgen des bisherigen Handelns verdrängt, verlassen werden?
Was folgt der Wachstumsgesellschaft? Nicht unbedingt das befürchtete Zurück in die Höhlen, meint Rauschmayer, sondern eine Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel des Wirtschaftens: Ein gutes Leben für alle. Dies beinhalte mehr Achtsamkeit, ein besser entwickeltes Mitgefühl und die Auflösung von alten Konsum- und Wachstumsmöglichkeiten. Also eine Abkehr vom »Immer mehr«. Weniger ist mehr, z.B. weniger Tempo = Mehr Langsamkeit. Und mehr Gemeinschaftlichkeit und Verbindung zwischen den Menschen. In diese Richtung sollte ein gesamtgesellschaftlicher Umbau erfolgen. Es bedürfe auch einer Neudefinierung von Arbeit und Vermögensverteilung.

Gerade hier, möchte man anfügen, passt ein bedingungsloses Grundeinkommen wie der sprichwörtliche Deckel auf den Topf. Um Arbeit von einer aufgezwungenen, fremd bestimmten Tätigkeit in eine frei gewählte, erfüllende, sinnvolle Beschäftigung umzuwandeln. Und im Ansatz zu verhindern, dass gigantische Vermögensaufhäufungen in wenigen Händen mit der Armut von Milliarden Menschen erkauft werden. Das wäre eine Perspektive, auf die es sich hinzuarbeiten lohnte.
Ökonomische Besserwisser aus dem Lager der Wachstumsideologen tun das Grundeinkommen und eine Wirtschaft ohne Wachstum gern als lebensfremde Utopien ab. Als Alternative verweisen sie gern auf das goldene Zeitalter der wachstumsgetriebenen »sozialen Marktwirtschaft« in den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Sicher: Da gab es Vollbeschäftigung, steigende Löhne, eine breite Mittelschicht und eine bessere Infrastruktur.

Längst ist das alles passé. Eine wesentliche Voraussetzung des Wachstumssegens wird dabei gern verdrängt: Der zweite Weltkrieg. Kein Phönix ohne Asche.


Harald Schauff ist verantwortlicher Redakteur der Kölner Arbeits-Obdachlosen Selbsthilfe-Mitmachzeitung »Querkopf«, die für 1,50 Euro auf der Straße verkauft wird. Diesen Artikel hat er in der aktuellen Ausgabe des »Querkopf« veröffentlicht.

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