Kölner Initiative Grundeinkommen

Bedingungsloses Grundeinkommen – die Praxis übersteigert die Theorie in Namibia

Im Jänner 2008 startete das Basic Income Grant (BIG) Pilotprojekt in dem Dorf Otjivero-Omitara, rund 100 Kilometer östlich von Windhuk, der Hauptstadt Namibias. In diesem Dorf soll sich zeigen, ob sich die theoretisch angenommenen Vorteile auch in der Praxis bewahrheiten.

Bedingungsloses Grundeinkommen – diese Debatte wurde in Deutschland schon geführt und sickerte auch nach Österreich durch. Dem theoretischen Baugerüst zufolge soll jeder Bürger und jede Bürgerin eines Landes ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Dies soll allen Bürgern gleiche Chancen bieten. Insbesondere die Bevölkerungsschicht, die unter der Armutsgrenze lebt, soll dadurch die Möglichkeit erhalten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In dem namibischen Dorf Otjivero-Omitara wird die Theorie nun in die Praxis umgesetzt. Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut kennzeichneten diesen Ort. Wer dort lebte, wusste nicht, wohin er sonst gehen sollte und setzte keine Hoffnung in die Zukunft. 24 Monate wird für das BIG Pilotprojekt einberaumt, beginnend mit Jänner 2008 und endend mit Dezember 2009.

Die Zwischenresultate verheißen Gutes

Ein Blick auf die Zwischenberichte verrät, dass die erhofften Ergebnisse nicht nur eingetroffen sind sondern auch übertroffen worden sind. Der Anteil von unterernährten Kindern sank von 42% auf 17% nach den ersten sechs Monaten und auf 10% im November 2008. Doppelt so viele Eltern zahlen die Schulgebühren für ihre Kinder, wodurch die Schulen über mehr Geld für Unterrichtsmaterial verfügen. Die Ausfallquote aus der Schule ist seit Einführung von BIG von 30-40% auf 5% im Juni 2008 und auf 0% im November 2008 gesunken. Und das ist nur eine kleine Auswahl der Positivmeldungen.

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle

Im Juli 2007 wurde den 1200 Einwohnern Otjiveros Fingerabdrücke zur Registrierung abgenommen. Zur Identifikation bekommen sie eine kleine Karte. Ihnen sichert das BIG Pilot Projekt ein bedingungsloses Grundeinkommen von 100 namibischen Dollar (N$ – rund 9 Euro) pro Monat zu. Jeder Bewohner Otjiveros unter 60 Jahre erhält das Grundeinkommen, egal ob arm oder reich, egal ob Kind oder Erwachsen. Jene über 60 Jahre sind durch die staatliche Pension versorgt. Eine fünfköpfige Familie würde demnach 500 N$ bekommen. Das meiste des Geldes wird für Nahrung, Schulgebühren und Schuluniformen aufgewandt. Das Dorf hat selbst ein Komitee mit 18 Mitgliedern gegründet, das die Bewohner unterstützen und mobilisieren soll, wie sie ihr Leben verbessern können.

Wie finanziert sich das?

Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommen kann über eine Erhöhung der Umsatzsteuer auf 6,5% gewährleistet werden, so die Namibian Tax Consortium (NAMTAX). Dadurch würden zwar die Alltagsgegenstände teurer werden, in Summe jedoch würden 85% der Leute mehr von BIG profitieren als zahlen. Eventuell könnten auch die Steuern auf Luxusgüter wie Autos, Tabak und Alkohol angehoben werden. Das Pilotprojekt wurde vorerst über freiwillige Spenden finanziert.

Die Vorteile überwiegen

Auch wenn die Anfangskosten belastend sind, überwiegen die Vorteile. BIG belebt und stabilisiert das Wirtschaftswachstum. Es entstehen Bäckereien, Friseursalons, Schneiderbetriebe oder Ziegelsteinhersteller. Dadurch wird der Lebensstandard verbessert. Manche haben eine Geschäftsidee und können diese mit dem nötigen Startgeld nun verwirklichen. Eine Bäckerei – die Geschäftsfrau fängt klein an, backt kleine Brötchen in Dosen zuerst auf offenem Feuer, nach einer Zeit hat sie schon einen Ofen. Die Konkurrenz lässt nicht lange auf sich warten. Von dem wenigen Geld, das sich eine Frau erspart, kauft sie einen Hahn und eine Henne. Später verkauft sie schon Hühner und Eier. Die reichen, weißen Farmer in der Umgebung sind skeptisch. Sie glauben, dass die AfrikanerInnen das Geld versaufen und unwirtschaftlich damit umgehen würden. Tatsächlich betrifft dies aber eine Minderheit. Die Mehrheit der Bewohner Otjiveros geht mit dem Geld verantwortungsbewusst um.

Aufblühende Wirtschaft lockt MigrantInnen

Die Einführung von BIG bringt eine signifikante Migration Richtung Otjivero-Omitara mit sich. Zugewanderte bekommen kein Grundeinkommen. Sie werden angelockt durch die aufblühende Wirtschaft. Manche haben Familienangehörige im Dorf und werden von diesen aufgenommen. Trotz Aufnahme verringert sich in diesen Haushalten die Armutsgrenze gemessen an den Nahrungsmitteln innerhalb eines Jahres von 76% auf 37%. In Haushalten ohne zugewanderten Personen sinkt die Rate sogar auf 16%.

Arme verdienen Würde

Bisherige Hilfsprojekten sind um die Bevölkerungsgruppen, die es „am dringendsten brauchen“, bemüht – den Armen. Dadurch wird eine Abhängigkeit vom Wohlwollen anderer geschaffen. Die Betroffenen werden als „arm“ gebrandmarkt. Durch das bedingungslose Grundeinkommen verfügt jeder über eine eigene Einkommensquelle. Dies ermöglicht Eigenverantwortung zu tragen, Entscheidungen selbst zu treffen und ökonomisch zu investieren. Die Gleichbehandlung aller bewahrt die Würde aller.

Erfolge sprechen für sich

Das Projekt BIG wird getragen von den vier Schirmherrschaften Council of Churches (CCN), Namibia Union of Namibian Workers (NUNW), Namibian NGOs Forum (NANGOF) und Namibian Network of AIDS Service Organisations (NANASO). Die Zwischenergebnisse sprechen gegen zuvor existenten Vorurteilen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zu Faulheit und Abhängigkeit führe. BIG reduziert die Armut, Arbeitslosigkeit und die Kriminalität, steigert die ökonomischen Aktivitäten und Produktion und hebt Bildungs- und Gesundheitsstandards. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung durch dieses Projekt überzeugt wird und mutig genug ist, BIG nationalweit in Namibia durchzuführen.

Quelle: Katharina Schleicher (Tribüne Afrikas Nr.7, 2009)

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