Kölner Initiative Grundeinkommen

Kolumne: Geld macht faul – Warum Tänzer schlecht bezahlt werden

Ist der professionelle Tanz eher mit einem Ehrenamt zu vergleichen, ist er tatsächlich professionell? Oder warum wird er so schlecht bezahlt?

Neulich konnte man in der Süddeutschen Zeitung einen bemerkenswerten Beitrag mit der Überschrift «Geld macht faul» lesen. Darin stand, dass Kinder, denen man für das erfolgreiche Lösen eines Puzzlespiels eine Belohnung gibt, das Interesse am Puzzlen sehr viel schneller verlieren, als Kinder, die dafür keine Belohnung erhalten. Das Kinderglück, ein Puzzle erfolgreich vollendet zu haben, verschwindet sofort, sobald eine Belohnung ins Spiel kommt, die mit dem Spiel nichts zu tun hat. Psychologen kennen das Phänomen: Eine Belohnung, Geld zum Beispiel, führt zu einer Umdeutung des Puzzlespiels. Das ist beim Tanzen genauso: Tanzen macht glücklich, wenn man kein Geld dafür bekommt.

Wird man aber professionell dafür bezahlt, erfährt ein Nettostundenlohn von 3,12 Euro für Tänzer eine ganz neue Deutung. Sofort sinkt die gesellschaftliche Achtung des Tänzerberufs auf den Nullpunkt. Das mit so wenig Geld gezeigte politische Desinteresse am Tanz lockt ihn radikal unter die Armutsgrenze. Umgekehrt gilt übrigens genau das Gleiche: Würde man ein Unternehmen erfolgreich managen, macht dies auch dann glücklich, wenn der Manager keinen Cent dafür bekommt. Die Einführung von Boni senkt jedoch die Lust am Management so weit herab, bis der Wettbewerb um die höchsten Boni, und nicht die Kunst des Managens, zum entscheidenden Antrieb geworden ist.

Das ist menschlich, sagen Psychologen, und der nicht mehr zu überhörende Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen träumt vor allem davon, die Wirtschafts- (und Kunst-)Leistung von dieser offenbar gefährlichen Umdeutung durch Geld wieder abzukoppeln. Denn wahr ist, längst gibt es zwei Wirtschaftssysteme: «Zahle genug oder zahle gar nichts!» Das bringt eine Zweiklassengesellschaft ganz anderer Dimension hervor: die Engagierten und die Bezahlten, ein Gut-und-Böse-Schema, das auch in der Tanzwelt längst Einzug gehalten hat.

Kein Fauxpas wirkt unter Tänzern gravierender als das Zeigen von Geld oder Besitz. Armut ist Diktatur, das Engagement richtet sich gegen die «Klasse der Besitzenden», sprich: die Politiker, die dem Tanz doch offenbar missgönnen, Teilhabe an der ökonomischen Gesellschaft zu erreichen.

Jüngstes Beispiel ist die neuerliche Kürzung der sogenannten Konzeptförderung, die es freien Kompanien in Berlin ermöglichen sollte, sich vier Jahre lang zu bester Professionalität zu entwickeln. Bei Regierungsbeginn lockten rund acht Millionen jährlich, heute sind nur noch drei Millionen im Fördertopf, an dem von allen Berliner Tanzkompanien nach letzter Juryanhörung nur noch Constanza Macras partizipieren darf.

Es sei ihr gegönnt, heißt es sofort. Ralf Ollertz, Manager, Dirigent, Komponist der Berliner Cie. Toula Limnaios, schlägt nach eigener 13-jähriger Existenz denn aber doch vor, anstelle des Worts «Engagement» wieder das Wort «Selbstausbeutung» zu setzen. Denn die künstlerische Anerkennung kenne einfach kein Pendant zum finanziellen Ertrag, und der Verdacht sei auch gar nicht von der Hand zu weisen: Nie darf sich in Deutschland zeigen, dass das Tanzen «lohnt». Sieht man von sogenannten Vollinstitutionen ab, die unter gewerkschaftlicher Aufsicht meist als Ballettkompanien eine repräsentative Aufgabe übernehmen, stehen alle nicht-repräsentativen, also freien Kompanien, oft sogar wegen ihres sozialen Engagements im Bereich etwa des Kinder- oder Behindertentanzes, im Ruf, auf die andere Seite dieses Wirtschaftssystems zu gehören, auf die Seite der «Engagierten». Es sind also die, die noch Spaß am Tanzen haben und nicht die, die dafür bezahlt werden (müssen).

In der vergangenen Legislaturperiode gab es ein von Horst Köhler immer wieder gern inszeniertes Werben um das «Ehrenamt», bei dem sich Senioren, Jugendliche, auch Reiche und Arbeitslose in völlig neuer Solidarität zusammenfinden – im Engagement, das sozusagen hinwegtröstet über die Sinnlosigkeit der Ökonomie, die sich ja an beiden Seiten der Gesellschaft zeigt: da, wo zu viel und auch da, wo zu wenig Geld verdient wird.

Wo diese «Klasse» ständig wächst, wird der Ruf nach einer «Professionalität des Tanzes», das Insistieren darauf, dass es sich hier um Tanzkünstler nach der Ausbildung handele, immer hinfälliger. Die politische Frage lautet längst, ob die Freiwilligkeit, in einem Unternehmen wie einer Tanzkompanie zu arbeiten, als Engagement oder als Bezahlarbeit zu bewerten sei. Da liegt es doch nahe, immer wieder den selbstlosen Einsatz der Tänzer zu loben, anstatt den Tanz in die Ökonomie zu entlassen, wo es passieren könnte, dass der Tänzer seinen Beruf mit seiner Belohnung, dem Geld, verwechseln könnte.

Quelle: kultiversum.de (Arnd Wesemann / ballettanz / Seite 20 / November 2009)

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