Kölner Initiative Grundeinkommen

Nötig, doch überschätzt – Mindestlöhne genügen nicht

Von Harald Schauff*

Ein gesetzlicher Mindestlohn ist überfällig. Die große Koalition aus CDU und SPD verspricht nebulös seine Einführung bis 2017. Wenn da mal nichts dazwischen kommt, z. B. die nächste Finanzkrise. 8,50 Euro die Stunde soll er dann betragen. Der Linken geht das nicht weit genug. Sie will 10 Euro, später sogar 12.

Wie hoch auch immer, Hauptsache er kommt endlich. Denn nur so kann deutlich werden: Mit ihm allein ist es nicht getan, auch wenn er vielen Beschäftigten zunächst einmal helfen mag. Die Schere zwischen Arm und Reich wird er nicht schließen können.

Linke Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommens stellen diesem den Mindestlohn gern als nach ihrem Dafürhalten realistische Alternative gegenüber. In der Vergangenheit verwiesen sie häufig auf Großbritannien als Beispiel für die erfolgreiche Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen. In letzter Zeit war allerdings von dieser Seite kein Verweis mehr auf das Inselreich zu hören. Mit gutem Grund: Das Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Talfahrt begann mit der Finanzkrise 2008. Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote bei beinahe 8 %. 27 % der Kinder sind von relativer Armut betroffen. Laut Studie der Universität Bristol lebt ein Drittel der britischen Bevölkerung in »prekären Verhältnissen« (Daten und Fakten: Siehe SPIEGEL 25 /2013). Millionen Briten fehlt es an genügend Essen und Heizmaterial. Armutsforscher sagen eine weitere Verschlimmerung der Situation voraus, infolge von schrumpfenden Sozialleistungen und sinkenden Reallöhnen. Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich hat auch politische Folgen: Rechts von den konservativen Tories hat sich die anti-europäische Partei UKIP gebildet. Sie führt alle wirtschaftlichen Probleme des Inselreiches auf europäische Einflüsse zurück und fordert vehement den Austritt Großbritanniens aus der EU. Man will sich ganz auf seine Insel zurückziehen und auf alte Stärken besinnen. Am liebsten hätte man alles wieder so wie in den erfolgreichen 50er und 60er Jahren. Die Partei ist keine Randerscheinung: Bei den letzten Kommunalwahlen holte sie 23 % der Stimmen.

Abgestimmt wird nächstes Jahr auch in Schottland: Die Schotten entscheiden, ob sie weiter zu Großbritannien gehören wollen oder ganz unabhängig werden. Der sozialen droht die nationale Spaltung zu folgen.

Bei allem, was für ihn spricht, konnte der Mindestlohn diese bedenkliche Entwicklung nicht stoppen. So sehr er die Situation vieler Beschäftigter im Augenblick erleichtert, so wenig vermag er das Öffnen der sozialen Schere aufzuhalten. Vor den Rationalisierungseffekten des technischen Fortschritts kann er Beschäftigte eben so wenig schützen wie vor den Verwerfungen durch schwere Wirtschaftskrisen. Somit stellt er eben keine Alternative zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens dar. Er kann dieser höchstens die Bahn bereiten, in dem er verhindert, dass eine (noch) nicht existenz-sichernde Höhe des Grundeinkommens zu weiterer Lohndrückerei führt. Deshalb ist seine Einführung sinnvoll.

Harald Schauff ist verantwortlicher Redakteur der Kölner Arbeits-Obdachlosen Selbsthilfe-Mitmachzeitung »Querkopf«, die für 1,50 Euro auf der Straße verkauft wird. Diesen Artikel hat er in der aktuellen Ausgabe des »Querkopf« veröffentlicht.

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