Kölner Initiative Grundeinkommen

Podium zum Bedingungslosen Grundeinkommen (Nachtrag zur Veranstaltung am 19. November an der FH-Köln)

An der FH Köln fand heute ein Vortrag von Götz Werner statt - sein wichtigstes Anliegen, die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens: Warum die Zeit dafür reif ist, und warum niemand etwas durch das Grundeinkommen zu befürchten hat.

Was ist das "Bedingungslose Grundeinkommen"? Es ist eine Änderung des Sozialsystems, in welcher jeder Bürger des Landes vom Staat ein Einkommen erhält, ganz gleich ob der Bürger dafür arbeitet oder nicht. Die dadurch erlangte Freiheit würde nicht nur eine angstfreiere Gesellschaft schaffen, so Götz Werner, sondern auch Selbstverwirklichung und gelebte Demokratie erst wieder möglich machen. Denn wichtig wird dann nicht mehr, was man muss, sondern dass, was man will. Götz Werner, Chef der Drogeriemarktkette dm, setzt sich schon seit geraumer Zeit für dieses Thema ein. Er begann seinen Vortrag mit der Frage, ob der Mensch wirklich arbeiten muss, ausgehend von einem Zitat des Apostels Paulus "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." Dieser Satz würde als Sprichwort nach wie vor immer wieder fallen - doch in einem völlig falschen Sinneszusammenhang. Für Paulus, so Götz Werner, ging es um Teilhabe an der Gesellschaft. Das zwanghafte festklammern an "Arbeit" und vor allem "Erwerbsarbeit" nennt er einen "folgenreichen Irrtum", der sich wie ein roter Faden durch die westliche Geschichte zieht. Ein Irrtum deswegen, weil vor allem in unserer Welt, eine Pflicht zur Arbeit nicht aus einem Mangel hergeleitet werden kann. Im Gegenteil, er betrachtet viele der gängigen Denk- und Argumentationsmuster als Fehler, die Teilhabe oder Partizipation an der Gesellschaft deutlich erschweren, anstatt sie zu ermöglichen. Nicht um Arbeit sollte es gehen, sondern um Einkommen.

Im weiteren hat er eine Reihe von, aus seiner Sicht, Denkfehlern als solche entlarvt. Argumentationen, die immer und immer wieder benutzt werden, bei genauerem Hinsehen sich aber als haltlos erweisen. Viele dieser Irrtümer haben mit Arbeit und Einkommen zu tun. Götz Werner sagte, dass niemand für die Arbeitsleistung bezahlt wird, die jemand verrichtet. Im Gegenteil, erst durch die Entlohnung der Arbeit wird der Arbeitsplatz erst ermöglicht. Denn wenn das Arbeitseinkommen nicht zum Überleben reicht, so wird der Arbeiter auch nicht in der Lage sein, die Tätigkeit zu verrichten. Es sei ein Irrtum, dass die meisten glauben, für die Arbeit an sich Geld zu bekommen. Wo kein Geld, da keine Arbeit. Oder zumindest keine Erwerbsarbeit. Denn es gibt gesicherte Zahlen darüber, dass etwa 60 Prozent sämtlicher Tätigkeiten in Deutschland im Ehrenamt ausgeführt werden. Also ganz ohne Bezahlung. Amüsiert fügte er hinzu: "Und stellen sie sich Deutschland ohne diese ehrenamtlichen Tätigkeiten vor. Tätigkeiten also, die aus innerem Antrieb und freiwilligen Stücken ausgeübt werden. Gäbe es nur die Aktivitäten, die auch bezahlt werden, das wäre doch ein Albtraum, oder?"

Diese Irrtümer zu erkennen und aufzulösen sei die Aufgabe unserer Zeit. Ein "Bedingungsloses Grundeinkommen" ist rechnerisch machbar. Die Frage jedoch, die man sich stellen muss, ist die, ob man dieses auch will. Ohne ein lebendiges Miteinander wird man dieses Grundeinkommen nicht bekommen, weil erst die Idee dahinter jedem einzelnen klar werden müsse. Für Götz Werner ist die Sache bereits völlig klar. Das Grundeinkommen sollte ein "normatives Recht" sein, welches ins Grundgesetz gehört. Nicht ein "Recht auf Arbeit", sondern ein "Recht auf Einkommen" sollte von der Verfassung jedem Bürger zugebilligt werden. Den Redebeitrag beendete Götz Werner mit einem Zitat von Josef Beuys, welchem dem ein oder anderen auch in Piratenkreisen schon einmal zu Ohr gekommen sein könnte: "Wer nicht denken will, fliegt raus."

In der anknüpfenden Podiumsdiskussion nahmen teil: Prof. Dr. Götz Werner (Universität Karlsruhe, dm-Markt), Christoph Schlee (Kölner Initiative Grundeinkommen und Netzwerk Grundeinkommen) und Prof. Dr. Michael Opielka (Fachhochschule Jena). Diskutiert wurden insbesondere die Fragen ob und wie das "Grundeinkommen für alle" umsetzbar ist, ob es gerecht wäre und die immer wieder anzutreffende Frage "wer dann noch arbeiten würde". Einig zu sein schienen sich die Diskutanten darüber, dass das Grundeinkommen rein rechnerisch möglich ist, und deswegen andere Fragen in den Mittelpunkt treten. "Es ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Verteilung von Gütern in einer hochgradig produktiven Wirtschaft", so Götz Werner. Christoph Schlee befand, dass es in der Frage, ob wir das Grundeinkommen erlauben, vor allem eine Machtfrage ist. Denn damit Verbunden ist die Tatsache, ob tatsächlich jedem Bürger Zugang zu gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht wird. Der Sozialwissenschaftler Michael Opielka machte sich überwiegend Sorgen um mögliche wirtschaftswissenschaftliche und sozial-ökonomische Modelle und kam letztlich zu dem Schluss, dass es in einem Modell schwierig bis unmöglich ist, an gesicherte Erkenntnisse zu gelangen, ob ein Grundeinkommen möglich und durchsetzbar ist. Sein Ergebnis als grundsätzlicher Befürworter des Grundeinkommens: Es ist letzten Endes keine ökonomische, sondern eine politische Frage.

Im weiteren Verlauf der Diskussion kam auch das Publikum zu Wort. Überraschenderweise ging es bei den Wortmeldungen überwiegend nicht um das "ob", sondern nur um das "wie". Ist es umsetzbar? Ist es durchsetzbar? Welche Wirkungen würde es haben? In diesem Zusammenhang wies Christoph Schlee auf ein Modellprojekt in Namibia hin, wo ein "Bedingungsloses Grundeinkommen" als Experiment durchgeführt wurde. Und "anstatt dass sich die Leute, auf die faule Haut legten, hat es durchweg positive Wirkungen gehabt". In unserem Land mit einem doch recht komplizierten Sozialsystem würde es ebenfalls eine Wirkung haben.

Quelle: gulli.com, 19.11.2009

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Kommentar von Henrik Wittenberg am 20. November 2009 um 3:21pm
Der Artikel wird auch schon ausführlich im Forum von gulli.com diskutiert.

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