Der Hartz-IV-Streit vor dem Verfassungsgericht hat eine viel größere Bedeutung als zunächst erwartet. Die Bundesregierung muss wohl nicht nur die Regelsätze für Kinder neu berechnen - sondern auch die Leistungen für Erwachsene. Es geht um das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
In schwarzem T-Shirt und ärmelloser Weste trat Thomas K. vor die Verfassungsrichter: "Ich bin ja nicht gerade von zierlicher Gestalt", scherzte der zwei Meter große und 150 Kilogramm schwere Kläger, dessen Fall nun den Anlass liefert für das bevorstehende Grundsatzurteil zur Höhe der Hartz-IV-Leistungen. "Ich hätte mir gerne einen anständigen Anzug gekauft, um hier ordentlich aufzutreten", so K. - doch dafür habe das Geld einfach nicht gereicht.
Und nicht nur dafür: Der Fernseher der dreiköpfigen Familie sei ein Auslaufmodell von 1996, Stereoanlage habe man keine, einen Computer habe die Tochter nur dank eines Geschenks der Oma, und besondere Interessen wie einen Museumsbesuch könne man sich leider auch nicht leisten.
"Ich möchte Gerechtigkeit", sagte Thomas K. in seinem Schlusswort: Er verlange nicht, wie manche anderen, dass der Regelsatz für Erwachsene von derzeit 359 Euro auf 500 Euro angehoben werde; aber er wolle, dass die Hartz-IV-Sätze "ordnungsgemäß, rechtskonform, transparent und nachvollziehbar bemessen werden" - und dass es nicht nur eine "Pauschale", sondern eine an die individuellen Bedürfnissen angepasste Zahlung gibt. Es könnte gut sein, dass ihm die Verfassungsrichter diesen Wunsch aufs Wort erfüllen.
Selbst Experten waren überrascht, wie schlecht es der Bundesregierung gelang, die Daten, die sowohl den Hartz-IV-Leistungen für Erwachsene als auch für Kinder zugrunde liegen, zu rechtfertigen. Bisher sei sie "von der Verfassungsgemäßheit" der Regelsätze für Erwachsene ausgegangen, gab die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstags, Monika Paulat, noch in der Verhandlung zu Protokoll, die Rechtfertigungsversuche der Bundesregierung aber "lassen mich ins Grübeln kommen".
Denn anders als viele Beobachter erwartet hatten, befassten sich die Verfassungsrichter nicht nur mit den Regelsätzen für Kinder, sondern stellten ganz grundsätzlich auch die Methoden in Frage, mit denen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits die für das ganze System zentralen Regelsätze für Erwachsene ermittelt hat.
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Quelle: Spiegel, 21.10.2009
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